Soundtrack der Woche #149
Die besten Gedanken entstehen doch dann, wenn sie verwachsen, eingebrannt in die Wand, und die Langeweile sich einnisten kann.
Ich teile mit ihm diesen unerklärlichen Hildegard-Knef-Fetisch. Die Knef ist auf Knock Knock auch wieder zu Gast. Denkt man. Aber es is die Sängerin Sophie Kennedy auf dem letzten Track des Albums, die da singt und kichert. „Alle anderen haben’s eilig, und du fragst dich, was sie wohl tun, denn du tust nichts“
DJ Koze, auszusprechen wie Kotze (!), ist ein DJ und Produzent, der irgendwie um seine eigene Genialität weiß und doch vor ihr flieht. Er wählt seine Gigs wohlfeil selbst aus, lässt sich nie filmen, sagt sogar ARTE ab. Er selbst hält sich nicht für eine Rampensau. Vielleicht liegt es daran, dass das Banale und Anspruchsvolle oft nur eine Spur breit voneinander entfernt liegen – er in den 90ern noch mit Sonnenbrille und Hip-Hop Truppe auf der Viva Bühne rumgesprungen ist (das war ein deutscher Musiksender).
Heute ist DJ Koze virtuoser Missionar und Gesellschaftskritiker und doch viel zu sehr in dieser bizarren Welt der elektronischen Musik gefangen, als das er sich ernsthaft dort herausnehmen könnte. Er eröffnet mit dem neuen Album einen Instagramaccount, obwohl er in Interviews ständig darüber ablästert, wie viele Menschen sich von einem „echten“ Leben verabschieden. Realness scheint ein wirklicher Maßstab für ihn zu sein. Paradox: Einerseits will er nichts mit ihr zu tun haben, der Welt der Instagrammer und Fitnessfreaks, der Selbstoptimierer und Strebsamen. Und andererseits hat er selbst Angst, große Angst, nicht gut genug zu sein in seinem künstlerischen Schaffen. Koze schläft wohl bis in den Mittag hinein und muss sich dann erst einmal in einen Kaffeerausch versetzen, trinkt nach eigenen Angaben gefährlich viel Kaffee, so dass es „an Todesangst“ heranreiche.
Dann legt er wohl die größten Ansprüche an sich selbst an. Und so kommt der größte Druck bei der Arbeit an einem Album für den vom Feuilleton zelebrierten Ausnahmekünstler immer noch von ihm selbst. „Das ist ein bizarrer Zustand zwischen Größenwahn und Selbstzweifeln: Eigentlich denke ich oft, ich kann nichts und der Schwindel fliegt bald auf. Manchmal kann ich einfach keine Musik machen. Mit dem Alter akzeptiere ich das besser“, reflektiert er.
Im Umgang mit Gefühlen, die blockieren, hilft ihm außerdem Humor, der sich in seinen Songs, aber auch um seine künstlerische Person selbst zieht. Zu dem wohl einzig Club oder Chart tauglichen Song Pick Up tauchen im Video schwarz auf weiß Sprüche auf wie „vocal sample #1“, „disco sample loops 6x“ oder „boys trying to shazam the tune“. Fabelhaft. Mit diesem feinen Humor zeigt er wie aus banalem ein soghafter Track entstehen kann und nimmt Leute auf die Schippe, die sich nicht aufs eigentliche Hören und Genießen konzentrieren.
Koze ist Exzentriker, will irritieren und herausfordern. Mit seinem Album Knock Knock schafft er kein House oder Techno-Album oder eine feine Auswahl für den Dancefloor produziert gemeinsam mit Stargästen, sondern einen Einblick in seine Welt, die gleichzeitig vertraut, weird und schön ist.
Weitere Anspielstationen:
Royal Asscher Cut
Club der Ewigkeiten
Nices Wölkchen
Amygdala
Estrella und Magical Boy (der Beat taucht dann übrigens beim Soundtrack zu Victoria auf)
und sein Made to Stray Remix von Mount Kimbie
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