Gregor Schneider – Wand vor Wand

Gregor Schneiders Kunst ist nicht das, was wir für gewöhnlich mit Kunst assoziieren. Und dennoch erfüllt sie genau das, was Kunst klassischer Weise tun soll: sie wirkt ganzheitlich, wühlt auf, lenkt die Aufmerksamkeit gekonnt auf tief im menschlichen Innern Liegendes und kehrt dies schließlich nach außen- Gregor Schneiders Kunst geht nah.

Medium seiner Kunst ist der Raum. Eine nähere Beschreibung fällt schwer. Denn ein Großteil des Werkes erstreckt sich auf die menschliche Wahrnehmung, die manipuliert wird durch ein Zusammenspiel physischer wie psychischer Erfahrungen, perfektionistisch inszeniert durch Schneider.

Es resultiert eine Allüre an menschliche Urängste und –zweifel.

Lange, enge Gänge, die kein Ziel haben; ein enges, kleines, mit Plastikfußboden ausgelegtes Zimmer, in einer Ecke lediglich eine rosa bezogene Kindermatratze, eine Wand ersetzt durch ein übergroßes Rohr, hinter welchem sich nur Düsternis befindet; ein leerer Raum: hinter einer weißen Schnur liegt mit dem Gesicht zum Boden gerichtet eine Frauengestalt, unklar ob lebendig oder eine Nachbildung. Schneider stimuliert archetypische Ängste mit albtraumhaften Darstellungen und Zuständen. Ein schwarz gehaltener Raum, in der Mitte ein mit Schlamm befülltes Becken, über welchem ein großes Rohr direkt hinaus ins Freie führt- Schneider nennt es German Angst. Jedenfalls bildet es schamlos einen absoluten Urzustand ab: aufwühlend und dennoch beinahe Katharsis für das menschliche Gemüt. Aus der die Ausstellung beherrschenden Düsternis herausstechend: der Sterberaum. Als Einziger ist dieser nur von außen, durch die großen Fenster des Galerieraums, zu betrachten. Ein hoher, weiter Raum, warmes Licht, glänzendes Parkett. Ein Gefühl von Ruhe geht von dem Raum aus, man fühlt sich wie der Betrachter von Hoppers Night Hawks einer ganz alltäglichen Szenerie verbunden.

Wand vor Wand entlässt mich nachdenklich, mit einem geschärften Bewusstsein meines eigenen Innenlebens. Sicherlich keine alltägliche Kunsterfahrung, und auch keine zum Wohlfühlen. Dennoch eine unvergleichliche Erfahrung dessen, was im Alltag ausgeklammert wird und eine unglaubliche Inspiration.

Daher: wer die Chance hat, sollte sich bis zum 19.02. zur Bundeskunsthalle begeben. Tipp: besser zu Randzeiten gehen, wenn es nicht überfüllt ist. Denn bei dieser Kunst ist das Erleben in der Stille tatsächlich ein großer Zugewinn. Das am Eingang ausgeteilte Heftchen im Vorhinein oder begleitend zu lesen bietet im Übrigen eine unaufdringliche Ergänzung und erstaunliche Denkanstöße.

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Friedrich-Ebert-Allee 4
53113 Bonn
Täglich 10-19 Uhr, Montags geschlossen

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Autorin

Sophie

Lektorat | Bonn

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