Paradise Circus ist 2010 auf Massive Attack’s fünften Album Heligoland erschienen. Der SdW leiht sich die sinnlichen Vocals von der Sängerin Hope Sandoval. Spannend ist neben dem gedämpften Gesang ein repetitiver aber vertrackter Teppich aus Bass und Percussionfäden, der zuverlässig vor sich hinschwebt.
Das Musikvideo ist irgendwie weird und faszinierend zugleich. Das Musikvideo beginnt mit einer alten Dame, die davon erzählt, wie sie sich eine Zeit lang als Prostituierte versucht hat, wie schwierig das für sie war und was sie dann aber als Schaupielerin gereizt hat explizite Sexszenen zu spielen. Eine Oma, die selbstbewusst und oft clever über Sex spricht. Baf. Das Video (oben) verbindet sich mit der Musik und erzählt nun eine Geschichte über Intimität. Die Lyrics des Stücks sind recht einfach gehalten und trotzdem schwer zu entschlüsseln.
Paradis
Könnte man meinen es ginge hier nur um den bekannten Platz in Birminghams Innenstadt, bezweifle ich doch, dass es Massive Attack darum ging einen öffentlichen Platz zu besingen. Vom Titel also ausgehend können wir spekulieren, dass „Paradise“ ein perfekter, ruhiger Ort ist und oft mit dem Garten Eden assoziiert. Wie schon erwähnt hat der Song ganz klar erotische Untertöne und ja auch der Garten Eden wurde früh als utopisches Traumbild eines Liebes-Paradieses gesehen. In der Tat zeigt Hieronymous Bosch mit seinem in Madrids del Prado ausgestellten „Garten der Lüste“ auf der Mitteltafel ein fried- und freudvolles Beisammensein von Mensch und Tier. Überall sind überdimensionale Früchte, Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren platziert, Zeichen wohl der Lebensfülle und der Erotik. Vielleicht bezieht sich unser SdW also explizit auf dieses Bild des Eden und des Paradises und den Sehnsüchten unser allen. Sind das also Adam und Eva die sicheren und heiligen Sex haben? Aber nicht alles ist rosig im Paradise von Massive Attack, die für Kontraste und politische Einmischung bekannt sind. „Circus“ ist dann ein Schimmer von Zweifel. Vielleicht ist das ganze hier ja doch irgendwie ziemlich künstlich, arrangiert, gestellt und die sexuelle Interaktion nur Show.
Circus
Die ersten beiden Zeilen des Song könnten mit dem „uncomfortable“ „stone“ auf die Situation hinweisen und dass wir uns das aber gerne darüber hinwegblicken. Uns in eine Situation „roll over“ wegdenken, die uns besser passt. Anschließend auch eine Referenz zum Counterpart von Eden, der Hölle „the devil“, den wir gerne als Ausrede für unsere „Vergehen“ nutzen? Im Musikvideo taucht immer wieder eine Schlange auf, die als effektive visuelle Metapher genutzt wird, im Schnitt mit der (fake?) Befriedigung? Aber das ist nun mal schon seit Ewigkeiten menschlich, Begehren ist eine human condition. Und so wird dann weiter gespielt mit Sex und Gut und Böse. Begierde und Lust. Scham und Unschuld. Liebe und Lust verwechseln wir vielleicht mal. Und dann ist da am Ende noch She will love you like a fly will never love you again“ was in etwa so viel heißen könnte wie, dass die Frau die den Mann im Video befriedigt letztlich ihn auch nicht liebt. So sad. Vielleicht aber auch einfach eine abgefahren wilde Interpretation, unter Schlafentzug entstanden. Denkt euch das Eigene.